Lolita Talk

Ist Lolita individuell?

Folgendes Szenario:
Eine neue Person tritt unserer Community bei um ebenfalls als Lolita anfangen zu können. Schnell trifft sie aber auf Grenzen, die sie evtl sehr verwirrend. Warum kann dieses Oberteil nicht mit diesem Rock angezogen werden, warum gehen diese Farben nicht bei Lolita, warum muss ich im Sommer eine Bluse drunter anziehen?  
Lolita ist doch so anders als der Mainstream-Look, warum muss ich mich in einer alternativen Mode gewisse Regeln unterwerfen?! Ist Lolita keine Form des Individualismus?

Ist Lolita tatsächlich eine individuelle Mode?


Folgender Absatz dient zur Begriffserklärung, damit keine Missverständnisse entstehen, aus Wikipedia:
Der Individualismus ist ein Gedanken- und Wertesystem, in dem das Individuum im Mittelpunkt der Betrachtung steht. […] Mit Individualismus wird auch – besonders im alltagssprachlichen Gebrauch – eine persönliche Geisteshaltung bezeichnet, bei der möglichst eigenständige Entscheidungen und Meinungsbildungen angestrebt werden, gleichgültig ob sie konform zum gesellschaftlichen Kontext sind oder nicht.

In unserer Fragestellung fragen wir demnach, ob Lolita eine Mode ist, die die Einzelpersönlichkeit zum Ausdruck bringen kann.

Lolita ist im Vergleich zu der “Mainstream”-Mode eine ganz andere. Wir kleiden uns gegensätzlich des jetztigen allg. Kleidungsideal von jungen Frauen.
Wenn andere Frauen eher versuchen figurbetont zu kleiden, verbergen wir unsere natürlich weibliche Sanduhrform mit dem Petticoat.  Die Frauen der normalen Mode wollen idR den eigenen Körper betonen, sei es nun die Beine, den Ausschnitt, den Arsch oder sonstwas. Wir wollen den Focus auf die Kleidung legen und nicht auf dem Körper.
Da erinnere ich mich gern an die Aussage von einer Mit-Lolita, die es mal so im Forum aussprach: “Wir werfen alle den gleichen Schatten.” Und ja, das stimmt. In der Form vereinheitlichen wir uns alle unter einem Nenner, mit gewissen Ausnahmen wie Dandy, Kodona oder Aristokarten.
Neben der Silhouette unterscheiden wir noch von der Optik. Lolita wirkt für andere in dem meisten Fällen bieder, überladen, gestellt und/oder kostümhaft. So ganz anders als das, was man im Alltag tragen würde, wo man zB lieber zu der praktischen Jeans oder zu der sexy Hot Pants greift. Lolita verkörpert völlig andere Intentionen als das, was die Mainstreammode verkörpert.
Alles zusammen gezählt erscheinen Lolitas im Vergleich zu der Mainstreammode als “Indvidualisten”, die ihren eigenen Modeweg gehen.

Betrachten wir die Modeszene aber an sich allein, dann sind wir eher Herdentiere: Gleiche Silhouetten und Accessoires, immer wieder kehrende Schnitte und Kleiderdetails, ähnliche Prints usw. usf.
An sich stützt die Lolitakleidung nur auf eine Handvoll Kleiderschnittmuster. Auch die Stoffauswahl ist auf eine gewisse Stoffvielfalt begrenzt. Wenn man auch, so wie ich, schon einige Jahre dabei ist, erkennt man auch, dass die Details immer in einem gewissen Rahmen bleiben und nur wenige Neuentdeckungen pro Jahr erscheinen.
Auch die Prints erschöpfen sich in einem wiederkehrenden Zyklus. AP-Prints oder Baby-Prints erkennen wir immer als solche, weil die in irgendeiner Form sich gleich bleiben. Was bei den Prints großteilig ändert sind die Details, Zusammenstellungen und die Ausführung. Aber beim genaueren Blick über einen größeren Zeitraum sind es auch nur wiederholende Grundmotive, wie Schlüssel, Hasen, Schmuck usw.
Im Gegenteil dazu ändert sich die Hauptmode jedes Jahr. Neue Kollektionen mit neuen Schnitten, Stoffen, Ideen und Farben werden für die Saison dann als “tragbar” definiert.

Durch unseren andersartigen Look “blenden” wir quasi die Leute vor, dass wir Mode-Individualisten sein könnten. Aber in Wahrheit bewegen wir uns nur in einem kleinen Spektrum der Modevielfalt, die uns definiert. Wer als Individualist in die Szene reinkommt, kann also nur enttäuscht werden, weil die Mode solchen Menschen nicht die gewünschte Freiheit geben kann.

Was nun?
Mit Lolita drückt man seine eigenen Modevorlieben und Ästhetikvorstellungen aus, die man mit dieser Mode verbindet. Das eint uns als Szene zusammen. Lolitas sind aber keine Individualisten und das muss nach meiner Meinung auch sein.
Diese modischen Einschränkung dient als Rahmen, das uns als Lolitas definiert. Ohne dies wäre Lolita ein Stil, der keinen klaren Wiedererkennungswert hätte. Da Lolita nur wenige wesentliche gemeinsame Merkmale hat, die allesamt auch nur auf die Kleidung bezieht, muss man diese auch einhalten um als Lolitamode bestand zu haben.

Wie immer bei meinen Lolita Talks:
Es ist meine eigene Meinung! Ich will niemanden vorschreiben, was und wie sie zu tragen oder zu denken hat. Es ist kein Vorwurf und ich will damit keine bestimmte Person ansprechen.

6 Kommentare

  • Miuko

    Ich habe auch schon darüber nachgedacht, das Zitat mit dem Schatten fasst es eigentlich gut zusammen. Einerseits stimme ich dir zu, dass vieles einfach ähnlich ist, was meiner Meinung nach an den Brands liegt, denn die sind das, was die meisten tragen und sie setzen auch die Trends. Andererseits gibt es auch in der Lolita-Mode Trends. Ein Beispiel sind diese Anhänger mit den 3 Sternen von Chocomint, einer hats entdeckt, jetzt machen es alle nach. Oder dass man sich ein Hirschgeweih ins Haar setzt, im letzten Jahr habe ich das auch vermehrt gesehen. Dass könnte man z.B. mit den Nerd-Brillen-Trend in der "normalen" Mode gleich setzen.
    Aber das die Schnitte und das Grundaussehen von Lolita immer gleich bleibt, stimt schon. Jedoch den meisten die ich kenne, mich eingeschlossen, ist das auch gar nicht so wichtig, sondern es gefällt dass Lolita die ganzen Regeln hat. Ich persönlich mag es auch, ich bringe halt meinen eigenen Stil in meine Outfits aber das Lolita generell streng definiert ist, stört mich gar nicht. Ist jedoch für einige Neulinge ziemlich befremdlich, das stimmt.

  • Quini

    Die Lolita-Trends habe ich mit den "wenigen Neuentdeckungen pro Jahr" gemeint. Zum Glück gibt es ja neue Sachen und Entwicklungen, sonst sähen wir immer noch so aus wie vor 5 Jahren, sprich allesamt Oldschool. Es ist eben nur sehr rar gesät bzw. die Entwicklung ist langsam vergleicht man mit der normalen Mode.

  • Mara

    Fand ich auch sehr interessant! Klar, Lolita-Mode ist sehr repetetiv, aber auch in der Mainstream-Mode werden ja immer mal wieder die gleichen Stile ausgegraben, findest du nicht auch? Ich bin zwar noch nicht so lang wie du aktiv eine Lolita, aber ich finde es immer noch ein sehr vielfältiger Stil ^^ Wenn ich bei unseren Meet-ups so rumschaue, sehe ich bedeutend mehr Individualismus als z.B. in der Uni xD da laufen die Mädels echt alle gleich rum…

  • Quini

    Das auch in der Mainstreammode alles irgendwie wiederholt, ist keine Frage. Nur das Spektrum und der Intervall der Wiederholung ist eine andere wie ich finde. Ich habe das Gefühl, dass im "Mainstream" so alle paar Jahre ein Trend-Zyklus pimalDaumen durchgelaufen ist. In Lolita siehst du dagegen jährlich zur Ostersaison Hasenprints, das als Bsp genannt.

    Ich glaube auch, dass unter den Lolitas die Dichte der modisch-kreativen höher ist als in der vergleichbaren Personenzahl in einer "Mainstream"-gruppe. Die Möglichkeiten zur allg modischen Entfaltung ist dagegen meiner Meinung nach in Lolita eingeschränkter als woanders. Oder um es anders auszudrücken: Die Uni-Mädels können sich vollkommen anders anziehen, wenn sie wollen (von zerissene Jeans und Grungeshirt bis hin zu Feenrock und Designerblazer). In Lolita geht das nicht (und dabei sich noch als Lolita -per Kleiderdefinition- bezeichnen).

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