Lolita Seamstress

Lolita Seamstress II

Man mag es kaum glauben, aber darf ich euch den zweiten Teil der Lolita Seamstress-Reihe vorstellen?
Bei einer kleinen Umfrage kam ja heraus, dass diese Reihe am meisten von meinen Lesern gewünscht ist und was tue ich nicht alles für meine liebe Leserschaft.
Den ersten Seamstress-Teil mit dem Thema “Hardware” könnt ihr natürlich vorher nachlesen. Das erste kam auch schon vor über einem Jahr auf meinem Blog und es ist verständlich, wenn ihr dessen Inhalt vergessen habt oder die “Neu”-Leser nicht wissen, um was es geht. Dort ist außerdem die Vorrede aufgeschrieben mit den allg. Infos über meine Näh-Erfahrung und -Können und natürlich die Einschränkungen dieser Reihe.

Schnittmuster für Lolita-Kleider

In diesem Teil schränke ich mich auf die Schnittmuster der Kleider, die anderen Kleidungsstücke wie Röcke oder Blusen werden das nächste Mal behandelt.

Das Kleid ist das Kernstück dieser Mode. So gut wie die gesamte Aufmerksamkeit der Lolitas fokusiert sich auf die vielen hübschen Kleider. Daher ist die Königsdiszipin für Lolita-Näherinnen das Erschaffen von Jumperskirts und Onepieces. Bevor wir weiter in die Materie eintauchen, muss erstmal die trockene Terminologie-Stunde durchgekaut werden, damit ihr wisst, was ich mit diesen oder jenen Begriff meine.

Näh-Begriffe

  • Stoffbruch/Bruchkante: Der Stoffbruch ist die Falte in einem Stoff, das meist im Fadenlauf liegt. Nach dem Schneiden im Bruch hat man 2 spiegelverkehrte Teile. Legt man das Muster an die Bruchkante an, erhält man ein Stück. Dazu sind diese Muster nur zur Hälfte aufgezeichnet und mit der Bruchkante vermerkt.
  •  Armausschnitt: Das Loch im Kleid für die Arme. Das Loch wird aus Aussparungen im Muster auf der Vorder- und Rückseite gebildet.
  • Besatz/Beleg: Ein Stoffstreifen aus dem Oberstoff, das rechts auf rechts an einer Stoffkante der Kleidung angenäht und anschließend nach innen gewendet wird. Diesen Prozess nennt man allg. verstürzen, und ist eine Versäuberungsmethode.
  • Versäubern:  Absichern der Stoffkante vor dem Ausfransen
  • Verschnitt: Stoff, was nach dem Ausschneiden der Teile über bleibt und nicht weiter verwendbar ist.

 

JSK vs. OP

Grundlegend unterscheidet man zwischen Jumperskirts (JSK) und Onepieces (OP). JSKs sind Trägerkleider und OPs sind Kleider mit Ärmeln dran. Nähtechnisch sind beide Kleider in der Grundform relativ gleich aufwendig zu nähen. Es gibt aber Unterschiede. Beim JSK müssen Belege bei der Arm- und Halausschnitt eingesetz werden. (Es ginge auch mit Schrägbändern, aber mir fehle da die Stofffestigkeit im Oberkörper, damit es schön anliegt.) Beim OP braucht nur beim Halsausschnitt verstürzt werden, bei den Armausschnitten kommt ja ein Ärmelteil an.

– Li: JSK, Re: OP –
 
Wenn man die Vielfalt der Lolita-Kleider genauer betrachtet, kann man erkennen, dass man all diese Kleider mehr oder weniger auf vier Grundschnitte zurückführen kann. Es gibt einige Schnittausnahmen, aber das sind meist spezielle Sonderformen und gehören nicht zum Standardmuster.
Die vier Grundmuster sind – im Bild von links -Kleider mit  Wiener Naht (1), Corsagenkleider (2), High Waist (3) und Kleider mit Taillennaht (4) .
Bei Wiener Naht-Kleidern (engl. princess seam) gehen die Teilungsnähten vom Armausschnitt aus bis hinunter zum Saum, es gibt keine Quernaht in der Taillennähe. Mary Madgalene verwendet es sehr oft für ihre Kleider und, wie die englische Bezeichnung andeutet, wirkt es sehr feierlich und formell.
Cosagenkleider haben eine integrierte Corsage im Muster. Es drückt die Taillennaht einige Zentimeter unter die normale Taillenhöhe und die Naht läuft meistens auf der Vorderseite spitz zu. Btssb macht gerne solche Corsagenkleider, die auch recht bekannt sind, wie die Embroided Pocket JSKs.
High-Waist-Kleider haben ihre Quernaht auf Höhe der Unterbrustlinie oder sogar darüber. Dadurch wird die Taille im Kleid versteckt. Es wirkt in den meisten Fällen sehr kindlich und kann/sollte nicht von jeder Frauenfigur getragen werden.
Kleider mit ihrer Quernaht auf Taillenhöhe sind die Standardkleider in der Lolita-Mode. Die Taillennaht kann ebenfalls 1-2 cm ober- oder unterhalb der Taille sein.
Von diesen vier Muster gibt es dann die verschiedenen Variationen, die idR. sich durch die weiteren Details und Applikationen unterscheiden. Die High-Waist- und Taillennaht-Kleider gehören zum Standardsortiment der Labels und sie sind auch am einfachsten zu nähen. Den Grund erkennt man recht schnell an den einzelnen Schnittteilen je Kleidversion, von der Grundform ausgehend.
Die gezeigten Schnittmuster orientieren sich an die gezeigten Kleiderdesigns in der Übersicht und wurden von mir frei skizziert. Es fehlen die Muster für die Belegteile in den Skizzen.
– Punkte stehen für lange Stoffbahnen, der Halbkreis mit Punkt steht für eine Bruchkante –
In der Grundform haben die Taillennaht-Kleider einen großen Stoff-Rechteck und minimal vier Einzelteile für den Oberkörper inkl. den Trägern. Zusammengezählt bräuchte man also nur fünf Schnittteile zusammenzunähen. Das ist wirklich wenig Arbeit, wenn man das Konstruktieren/Übernehmen der Schnittteile auf Papier, das Aufmalen auf Stoff, das Ausschneiden, die Versäuberung der Kanten und das Zusammennähen mit bedenkt.
Bei der High Waist Sache ist eigentl dasselbe wie beim Standardkleid. Nur der Rockteil ist dementsprechend länger und die Teile für den Oberkörper schmaler.

Bei der Wiener Naht sieht man gleich den Unterschied. Der Rock ist gleich an dem Oberteil verbunden und man muss mit langen Schnittteilen hantieren. Es ist mühseliger mit langen Teilen zu arbeiten als mit kürzeren. Es geht auch mit mehr Verschnitt beim Stoffschneiden raus, da man weniger gut puzzlen kann als mit kleinen Teilen. Es sind auch mehr Nähte vorhanden als beim Standardkleid, da im Rock zusätzliche dabei sind. Das macht mehr Versäuberungsarbeit für den Näher. Ansonsten ändert sich nicht viel beim Nähen.
Ich denke, ihr seht es schon: Ein Corsagenkleid hat viel mehr Schnittteile als die anderen Schnitte, wobei der untere Kram zum Rock gehört und dieser sehr detailliert ist.  Es ist wegen der Corsage, da sie aus mehreren Teilen bestehen muss, damit es so eng an der Taille anliegen kann. Mehr Teile, mehr Arbeit, ihr wisst ja schon.
Lolita-Schnittmuster kann man mittlerweile recht einfach kaufen. Früher musste man sehr kreativ und erfinderisch sein und passende Schnittmuster abwandeln. Ich empfehle euch zwei Magazine: Die Gosu Rori und die Tetsukuri no Lolita Fashion – Otome no sewing. Die Gothc & Lolita Bible hat zwar auch einige Schnittmuster im Heft, aber das sind nur 2-3 Stück (auch wenn es die Muster von Markenstücken sind) und dafür lohnt es sich allein nicht.
– Li: Gosu Rori, Re: Otome no sewing
Beide haben sich auf das Nähen spezialisiert und bieten viele Muster an. Zwar sind beide auf japanisch, aber die Bilder sind so selbsterklärend, dass man auch ohne Japanisch-Kenntnisse gut klarkommt. Erwerben kann man die Magazine bei myCostumes, Takagi Books und die Buchläden auf der Japanmeile Düsseldorf.
Die Gosu Rori wird aber nicht mehr vertrieben und man kann nur die Restbestände oder Secondhand finden. Man braucht auch nicht unzählige Exemplare kaufen, da man schnell mit wenigen Stücken alle Grundschnitte beisammen hat.
Soweit so gut, wir wissen jetzt was für Grundmuster für Lolitakleider gibt, welchen Arbeitsaufwand je Kleidversion hat und wo man die Schnittmuster kaufen kann.
Hat man also sein Grundmuster ausgewählt, kommt das Rest-Design ins Spiel. Was für Dekorationselemente kommen nun aufs Kleid? Und wie ihr wisst, gibt es sehr viele tolle Sachen, die man auf/in einem Lolitakleid einsetzen kann.
Das ist ein Thema, was wir ein andermal behandeln.

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